„16 Tage gegen Gewalt“ – Aktionen in der Steiermark
Am kommenden Sonntag, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, beginnen wieder die alljährlichen „16 Tage gegen Gewalt". Österreichweit wird es bis zum 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, wieder eine Vielzahl an Aktionen und Veranstaltungen geben. Ziel ist es, in diesen etwas mehr als zwei Wochen denn öffentlichen Fokus auf die vielen Formen von Gewalt zu richten, unter denen Frauen und Mädchen weltweit zu leiden haben.
Heuer richten die „16 Tage gegen Gewalt" ihren Fokus auf die ökonomische Gewalt, eine bisher wenig beachtete und häufig bagatellisierte Form der häuslichen Gewalt, die von den betroffenen Frauen selbst sehr selten als solche erkannt wird. Zugleich zählt die wirtschaftliche Gewalt bzw. Abhängigkeit zu den größten Hürden beim Verlassen einer gewaltbasierten Beziehung.
- Verbot der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
- Vorenthaltung von Geld oder dass zu wenig Geld für den Haushalt
- Die Verwendung des Einkommens wird kontrolliert
- Vermögen und Einkommen des Partners werden geheim gehalten
- nicht oder unregelmäßig geleistete Unterhaltszahlungen nach Trennungen
- Ausnutzung der Frau als Arbeitskraft,
- Überhäufung mit Schulden
Ökonomische Gewalt führt zu sozialer Isolation. Wenn das Geld so knapp ist, dass Frauen sich kein Bus- oder Konzertticket mehr leisten können und niemanden zum Essen einladen können, leiden darunter auch Freundschaften und ein soziales Umfeld, das in Krisensituationen Rückhalt geben könnte. Abhängigkeiten vertiefen sich besonders, wenn Frauen durch die Betreuung von Babys und Kleinkindern in ihren Arbeitsmöglichkeiten eingeschränkt sind und keine lebenserhaltenden eigenen Bezüge haben. Gefährdet sind aber auch Frauen, die aufgrund ihres Alters oder gesundheitlicher Einschränkungen beruflich benachteiligt sind.
Ökonomische Gewalt tritt immer wieder als verlängerter Arm körperlicher und psychischer Gewalt auf, manchmal aber auch ganz ohne - mitunter dann, wenn ein Partner aus der Beziehung aussteigen will:
Frau T. ist Studentin und seit einem Jahr verheiratet. Sie verdient neben der Ausbildung geringfügig 400 Euro im Monat. Ihr Ehemann ist Vollzeit beschäftigt und hat den Mietvertrag für die Wohnung alleine unterzeichnet. Als er ihr mitteilt, dass er sich trennen will und alleine in eine neue Wohnung umzieht, verlangt er von Frau T., sie solle einen Nachmieter die Wohnung besichtigen lassen und selbst zu Monatsende ausziehen. Frau T. ist besorgt, informiert den Vermieter über die Situation und teilt mit, dass sie mindestens noch drei Monate brauche, um sich eine eigene Wohnung zu suchen.
Als Frau T. kurz darauf ein Wochenende im Ausland verbringt, schlägt der Mann zu. Er räumt in einer Blitzaktion die Wohnung, tauscht Schloss und Türschild aus und nimmt alles Mobiliar und die persönliche Habe von Frau T. aus der Wohnung mit. Am Nachhauseweg von ihrem Wochenendausflug erhält sie vom Ehemann Fotos der besenrein geräumten Wohnung und des am selben Tag aufgelösten Mietvertrags. Sie steht buchstäblich auf der Straße. Ihr erster Weg führt sie auf eine Polizeistation. Dort wird ihr mitgeteilt, dass es sich um eine Privatangelegenheit handle und sie sich an das Bezirksgericht wenden solle. Auch der Vermieter meint, nach der Kündigung der Wohnung durch den Ehegatten, könne er nichts mehr tun.
Der Ausstieg aus der Gewaltspirale ist möglich. Wesentlich für bereits betroffene Frauen ist vor allem Beratung und Unterstützung. LRin Lackner hat daher seit Beginn dieser Amtsperiode einen Fokus auf den Ausbau des Beratungsangebotes der Frauen- und Mädchenberatungsstellen der Steiermark und des Frauenservice Graz gelegt.
Darüber, wie Hilfe und Unterstützung für die Betroffenen aussehen kann und wie man auf möglichst breiter Ebene präventiv tätig werden kann, werden sich Expertinnen und Experten auf der vom Frauenressort unterstützten Fachtagung „Break the Silence" zum Thema ökonomische Gewalt intensiv auseinandersetzen. Die Fachtagung wird vom Frauenhaus Graz organisiert und findet am Mittwoch, den 28. November 2018, von 9 bis 16.30 Uhr bei freiem Eintritt im Grazer Meerscheinschlössl statt.
Schutz vor ökonomischer Gewalt für Frauen braucht umfassende Strategien zur ökonomischen Gleichstellung von Frauen:
- Bildungs- und Berufsorientierung
- Infoangebote wie Veranstaltungsreihe WENDEZEITEN zum Thema Wiedereinstieg & Pensionen
- die Möglichkeit zum Nachholen von Bildungsabschlüssen
- Gerechte Entlohnung am Arbeitsplatz und existenzsichernde Altersversorgung: Initiativen zur Reduktion des
- Gender Pay Gaps und des Gender Pension Gaps.
- Antragsmöglichkeiten für eigene vom Partner unabhängige Ansprüche auf soziale Leistungen; Anweisung von sozialen Leistungen an die haushaltsführende Person, so wie das bereits bei der Familienbeihilfe üblich ist.
- Zugang zu unabhängiger kostenloser Beratung, die insbesondere in Krisensituationen ad hoc und in ausreichendem zeitlichem Ausmaß zur Verfügung steht.
- Niederschwelliger Zugang zu Ausbildung, auch im Erwachsenenalter.
- Leistbare zeitlich flexible Kinderbetreuung.
- Gleichberechtigte Verteilung der Sorgearbeit.
- Sicherung des Zugangs zu Beschäftigung auch im fortgeschrittenen Alter.
- Sensibilisierung von Gerichten, Behörden und politischen Entscheidungsträger_innen über Mechanismen und Dynamiken ökonomischer Gewalt.
- Nothilfefonds für gewaltbetroffene Frauen und Kinder, die Kautions- und Mietzahlungen sowie
- Lebenshaltungskosten für die ersten 3 Monate übernehmen können.
- Ausnahmebestimmungen für Gewaltopfer zur Sicherung von Aufenthaltstiteln, auch wenn die Ehe einvernehmlich geschieden wird.
Gewalt an Frauen – Zahlen & Fakten
Der Verein Frauenhäuser Steiermark betreute im Jahr 2017 173 Frauen und 222 Kinder in den beiden Steirischen Frauenhäusern in Graz und Kapfenberg. Rund ein Drittel aller Klientinnen, die Schutz in einem der Frauenhäuser suchen, sind von ökonomischer Gewalt betroffen. Darüber hinaus fanden 313 telefonische und 74 ambulante Beratungen statt.
In der Beratungsstelle des Frauenservice haben im Frauenservice 3100 Beratungsgespräche stattgefunden. Jede 6. der Klientinnen ist von Gewalt betroffen. Die Täter sind meist Partner oder Ex-Partner, vereinzelt auch Väter.
Gewalt passiert im Verborgenen. Jede 5. Frau in Österreich ist körperlicher oder sexueller Gewalt im Familien- und Freundeskreis ausgesetzt. Im Jahr 2017 wurden 8752 polizeiliche Wegweisungen zum Schutz vor Gewalt in der Familie durchgeführt. In Gewaltschutzeinrichtungen suchten 18.860 Menschen Unterstützung. Die Dunkelziffer ist bei Gewalt in der Familie besonders hoch. Laut aktuellen Untersuchungen melden 67% der betroffenen Frauen Gewalttaten innerhalb der Partnerschaft nicht bei Polizei oder anderen Einrichtungen.
Gewaltpräventive Aktivitäten des Ressorts Bildung und Gesellschaft:
Frauenressort: Beratungsangebot der Frauen- und Mädchenberatungsstellen (erste Anlaufstelle, psychosoziale und juristische Beratung und Begleitung von Frauen, die von Gewalt betroffen sind), ergänzende spezifische Beratungsangebote z. B. DIVAN für den Bereich „ehrbezogener" Gewalt, TARA für den Bereich sexuelle Gewalt, Präventions- und Beratungsangebote für Männer über den Verein für Männer- und Geschlechterthemen
In Bezug auf das Schwerpunktthema „ökonomische Gewalt" sind jedoch im Sinne der Prävention auch viele weitere frauen- und gleichstellungspolitischen Maßnahmen wichtig. Z. B: alles, was die ökonomische Eigenständigkeit von Frauen fördert - BBO, Infoangebote wie WENDEZEITEN, Ausbau der Kinderbetreuung zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder die Möglichkeit zum Nachholen von Bildungsabschlüssen
Familienressort: Fokus auf Elterninformation und Elternbildung, um Herausforderungen des Familienalltags leichter bewältigen zu können à ZUM-Elternmagazin, Elternbildungsgutscheine für Angebote der steirischen Einrichtungen. ACHTUNG: Angebote der Elternberatungsstellen werden vom Bund finanziert, EKIZe vom Sozialressort.
Bildungs- und Jugendressort: Schulsozialarbeit, Pilotprojekt „Sichere Schule" zur umfassenden Gewaltprävention in Schulen, WS und Projekte von Hazissa und der ARGE Jugend gegen Gewalt an steirischen Schulen und in Jugendeinrichtungen.
Einige der Aktionen im Rahmen „16 Tage gegen Gewalt“ in der Steiermark:
Frühling/Frühsommer: Round Table Veranstaltungen zum Thema ökonomische Gewalt in Vorbereitung auf die 16 Tage (fachliche Inputs, Diskussion mit KooperationspartnerInnen und MultiplikatorInnen in der Region). Die Ergebnisse aus diesen Veranstaltungen fließen in die Tagung ein.
FRAUENSERVICE GRAZ: Thementag „Wo Gewalt beginnt", Mittwoch 28.11.2018 -Tag der offenen Tür
FMB Hartberg-Fürstenfeld: Teilnahme an Fahnenaktion von TERRE DES FEMMES, unterstützt von regionalen PolitikerInnen.
FREIRAUM LEIBNITZ: Verteilung von Informationsfoldern, Teilnahme an Fahnenaktion von „terre des femmes"
FMB SERA LIEZEN/Außenstelle Schladming: Am 25.11.2018 um 19:00 Uhr wird das Schloß Trautenfels im Rahmen der Aktion „Orange the world" beleuchtet, anschl. stellt die Leiterin der FMB Liezen auf der Bühne die Angebote der Frauen- und Mädchenberatungsstelle vor, es gibt einen kurzen fachlichen Input zum Thema „Gewalt" und eine Diskussionsrunde.
Am 30.11.2018 um 19:00 Uhr findet im Kino Gröbming eine Filmvorführung „Die Suffragetten" statt, wo ebenfalls wieder die Angebote der Frauen- und Mädchenberatungsstelle vorgestellt werden und auf die Themen Gewalt, Gleichstellung und Frauenrechte eingegangen wird.
INNOVA: wird am 03. Dez. 2018 an allen drei Standorten (Feldbach, Mureck und Weiz) zeitlich versetzt eine Fahnenaktion durchführen. Gemeinsam mit VertreterInnen aus Politik, BH, Polizei, GSZ, zont Presse wird vor dem jeweiligen Rathaus bzw. Standesamt die Fahne „frei leben ohne gewalt" gehisst, danach gibt es einen regionalen Austausch. Frauen, die in dieser Zeit in die Beratungsstelle kommen bekommen einen Taschenalarm mit.
Teilnahme der FMB am 24. 11. 2018 in Fürstenfeld am 2. Oststeirischen Gesundheitstag - FMB stellt Arbeit und Angebote für Betroffene vor.
OBERSTEIERMARK OST: Eröffnungsfeier des neuen gemeinsamen Standortes für das „Kinderschutzzentrum" und die „Psychosoziale Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche" in Kapfenberg am 20 November, dem Internationalen Tag der Kinderrechte
AKZENTE: Teilnahme an den regionalen Gewaltschutztreffen in Voitsberg bzw. Deutschlandsberg
TARA: Broschüre für Betroffene „Sexuelle Gewalt und Trauma": Die Beratungsstelle TARA hat eine neue Broschüre herausgebracht: „Sexuelle Gewalt und Trauma" richtet sich an Betroffene sexueller Gewalt und deren Bezugs- & Vertrauenspersonen. Diese Information ist in Leicht-Lesen (Sprachniveau B1) formuliert, um das komplexe Thema der Traumatisierung aufgrund sexualisierter Gewalterfahrung für weibliche Opfer und deren Angehörige verständlich zu machen. Die Broschüre ist für die digitale Nutzung (Smartphone, Tablet, PC) ausgerichtet und präsentiert sich im barrierefreien Layout. Für blinde bzw. sehbehinderte Personen ist sie mit einer Vorlesefunktion ausgestattet. Kostenfreier Download über {'url:1'http://www.taraweb.at/download/'}