acib zieht EU-Millionenprojekt an Land

Ideal wirksame Medikamente, die hergestellt werden, ohne dabei die Umwelt zu belasten, sind das Ziel der „Initiative Innovative Medizin (IMI)". Diese verfügt über das gewaltige Budget von zwei Milliarden Euro, das zur Hälfte von der EU und zur Hälfte von der Pharmaindustrie gestemmt wird. Ab sofort hat das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) ein gewichtiges Wort mitzureden: Das österreichische Kompetenzzentrum für Biotechnologie spielt eine tragende Rolle beim eben gestarteten IMI-Projekt „Chemische Produktionsmethoden für die Pharmaindustrie des 21. Jahrhunderts" (CHEM 21) mit einem Gesamtbudget von 26,4 Mio Euro. Mit 1,8 Mio Euro ist der in Graz abgewickelte acib-Anteil der größte in CHEM 21.
„Mit 25 von 54 Kompetenzzentren ist die Steiermark der Forschungsstandort Nummer eins in Österreich. Die enge Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ist ein Erfolgsgeheimnis für die steirische Wirtschaft und trägt wesentlich dazu bei, dass die Steiermark mit einer Forschungs- und Entwicklungsquote von 4,3 Prozent zu den innovativsten Regionen Europas zählt und von der EU zur Unternehmerregion 2013 gekürt worden ist. Die Humantechnologie ist eines von drei Leitthemen in der Wirtschaftsstrategie Steiermark 2020 und das aktuelle EU-Projekt ist ein Beweis dafür, dass die Forschungskompetenz des acib international gefragt ist", freut sich Wirtschaftslandesrat Dr. Christian Buchmann.
Zwei Schwerpunkte
Das Produzieren von medizinischen Wirkstoffen ist heute äußerst ressourcenintensiv. Für einen Kilo Wirkstoff verbraucht die Industrie 100 und mehr Kilo an Rohstoffen. Vom Energieeinsatz ganz zu schweigen. Dazu kommt, dass die Prozesse viel Zeit verschlingen und gesundheitsschädlichen Abfall verursachen, der aufgearbeitet werden muss. Außerdem hat die Pharmaindustrie mit schrumpfenden Ressourcen zu kämpfen. Platin etwa, ein häufig verwendeter Katalysator, wird immer seltener und teurer. Deshalb sind grüne, umweltfreundliche Alternativen gefragt. Das österreichische Kompetenzzentrum für angewandte Biotechnologie betreut im Rahmen von CHEM 21 zwei Schwerpunkte. Zum einen geht es um Biokatalyse für die chemische Synthese. „Sie soll Herstellungsprozesse spezifischer und damit ökonomischer, aber vor allem umweltfreundlicher machen", erklärt Prof. Rolf Breinbauer, Leiter des Instituts für organische Chemie an der TU Graz und acib-Schlüsselforscher. Der zweite Schwerpunkt ist gleichzeitig die neueste Spezialität am acib. „Die synthetische Biotechnologie soll es ermöglichen, mit Hilfe von Mikroorganismen komplexe Wirkstoffe herzustellen, die bisher mühsam und in kleinen Mengen zum Beispiel aus Pflanzen gewonnen werden müssen und die nicht in ausreichenden Mengen verfügbar sind", so Prof. Anton Glieder, wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer des acib.
Um das zu ermöglichen, bauen ForscherInnen jenen Stoffwechselweg in Mikroorganismen ein, der die Zellen genau den gewünschten Wirkstoff in großer Menge und höchster Qualität herstellen lässt. Vergleichen lässt sich das mit der Autoindustrie: Ein Autowerk verfügt über viele Produktionsstraßen für verschiedene Modelle. Bei Bedarf wird eine bestimmte Produktionsstraße entsprechend angepasst und in Betrieb genommen, mit der man dann das gewünschte Modell herstellt. „Das Geheimnis liegt in der flexiblen und effizienten Einpassung des Stoffwechselweges - sozusagen der Produktionsstraße - in die Mikroorganismen ", erklärt Anton Glieder. Für Dr. Mathias Drexler, den kaufmännischen Geschäftsführer des acib, ist dieses EU-Projekt „auch mittel- und langfristig gesehen eine wesentliche wirtschaftliche wie strategische Stärkung unseres Kompetenzzentrums."
Dr. Luke Humphreys, Projektverantwortlicher für „Synthetic Biology" bei GlaxoSmithKline in London und CHEM21-Projektleiter, sieht sein Unternehmen als „Vorreiter in Sachen ‚umweltschonender, grüner Chemie‘: Deshalb haben wir dieses Projekt auch angestoßen. Wir freuen uns sehr über die Zusammenarbeit mit acib als Teil der Innovative Medicines Initiative (IMI) ‚Nachhaltige Chemie liefert Medizin für das 21. Jahrhundert‘. Mehr Nachhaltigkeit in der Produktion von Medikamenten durch Kooperationen wie mit CHEM 21 entlastet nicht nur unsere Umwelt, die damit verbundene Kostenreduktion führt auch zu einem besseren Zugang zu Medizin. Wir erwarten uns von der Zusammenarbeit, dass sie auch Innovationen vorantreibt, was sich wiederum positiv auf unsere Produktionskapazitäten auswirken wird."
Grüne Chemie
Für die Geschäftsführerin von GSK Österreich, Mag. Evelyn Schödl, ist dieses Projekt ein idealer Anknüpfungspunkt dafür, „die Aktivitäten von GSK Österreich in Sachen ‚Grüner Chemie‘ zu verstärken. Ökologische Nachhaltigkeit ist uns sehr wichtig. Wir sind auf einem guten Weg zu umweltfreundlicherem Wirtschaften, was Meetings, Dienstreisen, Produkte, aber auch Pläne für unser neues Büro in Wien anbelangt. Ganz besonders freut mich die Möglichkeit, durch diese Kooperation hier lokal in Österreich zu investieren und künftig auch die Zusammenarbeit mit Kompetenzzentren wie dem acib zu intensivieren."
Der neue wissenschaftliche Zugang im Rahmen des Projektes macht die Wirkstoffe günstiger und die Produktion umweltfreundlicher. Das Potenzial der Methode zeigt das Beispiel Artemisin, das von einem CHEM 21-Projektpartner auf Basis der Synthetischen Biologie hergestellt wird. Dieses wirksamste Malariamedikament war lange zu teuer für eine breite Anwendung. Dank einer biotechnologischen Herstellungsmethode auf Basis der synthetischen Biologie sank der Preis. Nun ist es auch in ärmeren Ländern leistbar.